Zukunftsfähigkeit von Trägern in der sächsischen Sozialwirtschaft – Erläuterung des Forschungsdesigns
Kapitel 14
Noll, Sebastian; Wöhrle, Armin; Gruna, Peggy
Die Wachstumsbranche Sozialwirtschaft droht nicht nur aus Gründen des Fachkräftemangels zur WachstumsBRACHE zu werden. Es galt somit, im Projekt prinzipielle Möglichkeiten auf der strukturellen und Führungskräfteebene aufzufinden, um diesem Prozess entgegenzuwirken. Zudem wurde durch die Hochschule Mittweida nach Möglichkeiten der trägerübergreifenden Kooperation gesucht und diese in der Praxis erprobt. Wir stellen Ihnen im Folgenden unser Forschungsdesign vor, welches die empirische Basis für die in Kapitel 14 bis 19 vorgestellten Ergebnisse lieferte.
Grundlage der Untersuchungen war die Annahme, dass es sich bei den Organisationen, in denen die Dienstleistung der Kinder- und Jugendhilfe erbracht wird, entweder um Organisationen der öffentlichen Hand (Jugendämter) handelt oder um gemeinnützige freie Träger, überwiegend kleine eingetragene Vereine, aber auch Organisationen, die den großen Wohlfahrtsverbänden angeschlossen sind. Wenn sie also nicht unmittelbar zur staatlichen Steuerungssphäre rechnen, so sind sie unter dem Dritten Sektor, insbesondere unter den Nonprofit-Organisationen zu subsummieren.
Aus Voruntersuchungen war bekannt, dass eine Vielzahl kleiner Träger der Kinder- und Jugendhilfe existiert und die einzelnen Organisationen nur wenige Erfahrungen im Rahmen einer Personal- und Organisationsentwicklung besitzen. Das könnte jedoch zu Problemen führen, denn der Fachkräfteengpass verlangt nach praktikablen Lösungen.
Das Forscherteam der Hochschule Mittweida (Fakultät Soziale Arbeit) untersuchte im Rahmen der partizipativen Forschung folgende Hypothesen zur Zukunftsfähigkeit dieser Organisationen:
- Für große Träger ist ein Prozess der Organisationsentwicklung als Grundlage eines strategischen Personalmanagements entscheidend.
- Bei kleinen Organisationen ist ein Trägerverbund richtungsweisend.
Im Folgenden wird beschrieben, welches Untersuchungsdesign jeweils zugrunde lag.
27 Jahre sächsische Organisationen – Eine Standortbestimmung
Die Untersuchung der sächsischen Sozialwirtschaft bildet das Fundament für die Einbeziehung und Beratung einzelner Träger. Dafür wurde analysiert, in welchem Rahmen Organisationen derzeit tätig sind, welche Bedingungen sie vorfinden und welche Veränderungen es seit der Neugestaltung der sozialen Landschaft 1990 gab.
Datengrundlagen des empirischen Teils dieser Standortbestimmung sind im Wesentlichen
- Protokolle, teilnehmende Beobachtungen und das Teilnehmerfeedback von drei (von November 2015 bis Januar 2016 stattgefundenen) Fachforen mit Geschäftsführenden und Personalverantwortlichen sächsischer Organisationen sowie politischen und kommunalen Vertretern,
- eine Telefonbefragung von 339 sächsischen Organisationen von November 2015 bis Januar 2016,
- leitfadengestützte Interviews mit Geschäftsführenden und Vorstandsmitgliedern zweier kleiner sächsischer Organisationen (eine mit weniger als 20 Mitarbeitenden und eine Organisation mit weniger als 100 Mitarbeitenden),
- Auswertungsergebnisse der Begleitung und Beratung der be/pe/so-Praxispartner*innen in ihrer Organisationsentwicklung, zwei davon engmaschig, während der Projektlaufzeit in Form von Workshops,
- Auswertungsergebnisse der Initiierungsveranstaltungen für trägerübergreifendes Personalmanagement in verschiedenen Landkreisen zwischen 2016 und 2017,
- Protokolle der Begleitung dreier angedachter Kooperationsprojekte mit teilstrukturierten Leitfadeninterviews, mit Fokus auf organisationsübergreifendem Personalmanagement 2017 in Form von Workshops,
- statistische Daten,
In den einzelnen Kapiteln wird jeweils auf die einzelnen Quellen näher eingegangen.
Untersuchung von drei größeren Organisationen hinsichtlich ihrer Organisationsentwicklung und ihres Personalmanagements
Unterstützt wurde das Forschungsvorhaben durch drei Träger der Sozialwirtschaft. Im Projektantrag wurde auch die Untersuchung kleinster, kleiner und mittlerer Organisationen (KMU) geplant. Die drei untersuchten Organisationen müssen aber formal den großen Organisationen (450, 200 und 400 Beschäftigte) zugerechnet werden.
Im Projekt war geplant, dass auf der Grundlage der empirischen Analyse aktionsorientierte Forschungsanteile in den Mittelpunkt gestellt werden, um praxisnahe Anhaltspunkte für Möglichkeiten und Grenzen der Organisationsentwicklung und des Personalmanagements zu erhalten. Ausgehend von einem Kontraktgespräch, in dem die Ziele der Forschenden vorgestellt und Möglichkeiten der Organisationsentwicklung besprochen wurden, wurden zuerst alle bereitgestellten Daten und Unterlagen der Organisationen gesichtet und mittels Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet. Zudem wurden einzelne Dokumente nach Oevermann (Wernet, 2006) objektiv-hermeneutisch analysiert.
Zentraler Bestandteil waren neben der Dokumentenanalyse die im Jahr 2016 zweimonatlich stattfindenden Organisationsentwicklungsworkshops bei zwei Trägern. Jeder dieser Workshops wurde als teilnehmende Beobachtung begleitet und verschriftlich. Dabei wendeten wir das „methodisch kontrollierte Fremdverstehen“ an, wobei die Kommunikation (Gesprächsprotokolle, Telefonate und analysierte Dokumente) so weit wie möglich in ihrem spezifischen Verweisungszusammenhang dokumentiert wurde (vgl. Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2008, p. 31).
Interorganisationales Personalmanagement bei kleinen Trägern in der Kinder- und Jugendhilfe
Da in den Untersuchungen zur sächsischen Sozialwirtschaft, insbesondere der Kinder- und Jugendhilfe offensichtlich wurde, dass in diesem Bereich vorwiegend kleine Einrichtungen zu finden sind, wurden in diesen Untersuchungen diese kleinen Einheiten stärker in den Fokus der Forschung gerückt.
Ausgehend von der Hypothese, dass kleinere Träger den Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte aufgrund ihrer begrenzten Handlungsoptionen zu verlieren drohen, wurden durch die Hochschule Mittweida Vorteile und Voraussetzungen eines trägerübergreifenden Personalmanagements eruiert.
Im Projekt war geplant, dass auf der Grundlage der empirischen Analyse aktionsorientierte Forschungsanteile in den Mittelpunkt des Projekts gestellt werden. Beteiligte Träger sollten für eine organisationsübergreifende Personalentwicklung gewonnen werden, um den Spielraum für das Personalmanagement zu erweitern sowie die Personalgewinnung und -bindung zu erhöhen.
Obwohl sich die Träger in den überregionalen Fachforen und regionalen Initiierungsveranstaltungen eindeutig zu der Notwendigkeit trägerübergreifenden Handelns bekannten, kam es letztlich nur zu einem trägerübergreifenden Verbund, der untersucht werden konnte. Die Vorteile und Voraussetzungen eines gelingenden trägerübergreifenden Personalmanagements werden in Kapitel 14 herausgearbeitet.
Tools und Konzepte für die eigene Organisation und als trägerübergreifende Maßnahmen des Personalmanagements
Aus der Standortbestimmung der sächsischen Organisationen und aus der Erfahrung der Arbeit mit den Praxispartnern wurden wegweisende Hinweise erarbeitet, die helfen können, wenn es darum geht, die Träger der Kinder- und Jugendhilfe zukunftsfähig zu gestalten.
Literatur
- Mayring, P. (2015). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (12th. ed.). Weinheim: Beltz.
- Przyborski, A., & Wohlrab-Sahr, M. (2008). Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch. München: Oldenbourg.
- Wernet, A. (2006). Einführung in die Interpretationstechnik der Objektiven Hermeneutik (2nd ed.). Wiesbaden: VS.